Tod


Es ist Abend. Die Wolken hängen tief. Die Sonne strahlt sie von unten an. Sie scheinen rot zu glühen. Es ist romantisch, hat flair. Ich sehe die Baumkronen, wie sie blätterlos ihre Äste hängen lassen. Nur manchmal läßt ein Windstoß sie beben. Es ist ruhig. Das Zimmer ist aufgeräumt, die Gedanken nicht. Ich versuche einen klaren Kopf zu kriegen. Will mich duschen überleg‘ es mir aber anders.

Ich bin verloren in der Flut meiner Gedanken. Ich versuche zu schwimmen, kann mich aber nur gerade noch über Wasser halten. Mein Kopf ist voll, ich werde nicht schlafen können. Wann immer ich die Augen schließe sehe ich nur noch die Szenen des Tages bei denen ich so viel falsch machte. Sobald ich wieder die Lider nach oben schiebe und auf die Strassenlaterne vor meinem Fenster starre fällt mir mehr davon ein. Die Augen tränen, sie schmerzen, wenn ich sie zu lange offen lasse. Ich muß sie also schließen. Vielleicht hilft es, wenn ich mich auf die andere Seite drehe. Aber wenn ich dort die Augen öffne sehe ich nur eine leere, weiße Wand vor mir. Aber ich wollte sie ja geschlossen halten. Nur kiegt mein Herz jedes mal einen Stich wenn ich die Augen schließe. Ich liege, versuche vergebens einzuschlafen. Wälze mich von einer Seite zur anderen.

Ich schaue auf die Uhr. Es ist zu spät um nicht zu schlafen. Ich bin müde, aber die Gedanken zwingen mich wach zu bleiben. Die Augen geöffnet. Schmerzen. Ich schließe sie wieder. Ein Stich in meinem Herz. Was ist mir wichtiger, meine körperliche oder meine geistige Gesund-heit? Ich halte also die Augen offen. Der morgen rückt näher. So in die Schule gehen? Soll ich das wirklich machen?

Ich treffe eine Entscheidung. Es hilft nur eins. Meine Mutter wird mir doch keine Entschuldigung schreiben. Ich schalte das Licht an. Ich suche den Teppichschneider auf dem Brett neben mir. Ich ziehe den linken Pyjama-Ärmel nach unten. Ich klappe das Messer auf und fühle die Schärfe der Klinge an meinem Daumen. Fixierung der Klinge. Ich suche einen der blauen Fäden, die sich durch meinen Arm ziehen. Ich führe die Klinge an den Arm und spüre das kalte Metall. Ich drücke fester zu und sehe wie die Haut dem Druck nachgibt. Langsam, ganz langsam fühle ich den Schmerz und die Spitze der Klinge. Es ist schön wie mich das von den Bildern, die ich gesehen habe, ablenkt. Ich ziehe die Klinge der Ader entlang nach unten. Langsam, ganz langsam sehe ich wie sich die Fahrtrinne verlängert. Ich genieße diesen Schmerz, der so leicht zu ertragen ist, im Gegensatz zu den Gedanken. Langsam rötet sich der Inhalt des Ritzes. Der Schnitt war also nicht tief genug. Ich setze nochmal am Anfang der Furche an und drücke diesmal etwas fester zu. Es gehört eine große Überwindungskraft dazu, das zu tun. Aber nichts im Gegensatz zu dem was ich versuche zu unterdrücken. Das Nachfahren ist beendet. Ich bewege meine Hand ein bißchen, die sich ein wenig Taub anfühlt. Langsam sehe ich das Blut aus der Furche herausquellen. Ich hatte also die Ader getroffen. Jetzt gab es kein zurück mehr. Ich hatte meinen letzten Tag vollbracht und er war verdammt nochmal Scheiße. Vielleicht werde ich vermißt, von meiner Familie, von meinen Freunden, wen auch immer ich dazuzählen kann. Ich hätte viel erreichen können, sagt man, aber es stimmt nicht. So ist es die beste Lösung.

Das Blut strömt aus der Ader raus, um den Arm herum auf die Matratze. Das wollte ich nicht. Ehrlich. So habe ich doch mehr Schaden angerichtet als ich wollte. Ich lege ein Taschentuch unter meinen Arm. Ich hoffe das hilft. Vielleicht, vielleicht… Ich fühle mich müde. Ich schließe die Augen. Ich sehe, so gut wie nichts. Ich kannte das von dem ersten mal, als ich viel Blut verloren hatte, dort aber an der rechten Hand und nicht absichtlich.

Ich kann die Augen schließen, kriege ich sie wieder auf? Glaube nicht. Bin zu müde. Ich will es nicht probieren. Ich konnte mit allem abschließen, ich sollte die letzten Minuten genießen. Es ist schön, so dahin zu siechen. Ich spüre nichtmal mehr die Decke die auf meine Wunde drückt. Es tut aber auch so genug weh. Mir wird schwarz vor Augen. Das war das schönste Gefühl das ich je hatte und jemals haben werde…

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