Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft


Konrad:
Moin, moin, und wie geht’s deinem Magen? Hoffe du hast ihn gestern nicht noch mehr strapaziert. Wie war’s eigentlich gestern?

Raul:
Meinem Magen geht’s heute super gut… noch, denn gleich werde ich Kaffee trinken… Gestern waren wir erst am Gasteig. Moritz und ich haben dort ein (warmes) Bier aus der Flasche getrunken. Dann haben wir uns mit Schink vorm Serranos getroffen, welches aber leider zu war. Dann sind wir ins Santa Fé, das gleich dort in der Nähe ist. Moritz und Schink haben was gegessen. Moritz hatte noch ein helles (0,3 *schauder*) Schink und ich ein Weißbier (0,5 *g*). Dann sind wir noch ins Catwalk, weil Moritz bald nach Hause hätte müssen, aber das ist dann doch irgendwie flachgefallen, trotzdem saßen wir im Catwalk… den beiden ging’s sehr gut und die waren lustig… ich hatte ein ziemliches down wegen Vergangenheit…

Konrad:
Klingt ja ganz gut. Auch wenn du eine leichte Depression hattest. Das liegt eben am Alter. Da fängt man einfach zu oft an, an die Vergangenheit zu denken. Schlimm ist das.

Raul:
Tja.. diese Vergangenheit ist… so … hmm… 5 Monate oder so alt… tjaja, das Alter. Ich hasse Erinnerungen… ich will lieber unvoreingenommen bleiben…

Konrad:
Ach Vergangenheit gehört dazu. Es gibt keine Gegenwart ohne Vergangenheit. Du musst lernen, damit klarzukommen, auch mit den unangenehmen Erinnerungen. Außerdem gibt es ja auch schöne Erinnerungen oder? Beides gehört halt zusammen. Genauso wie Hochs nicht ewig dauern und ihnen meistens Tiefs folgen, dauern Tiefs auch nicht ewig und werden irgendwann durch ein Hoch abgelöst. Ein Mensch der seine Vergangenheit nicht akzeptieren will, hat keine Zukunft und nur eine extrem trostlose Gegenwart.

Raul:
Wenn ich die Vergangenheit vergessen könnte, könnte ich in der Gegenwart leben und nicht durch meine Vergangenheit beschränkt denken. Ich denk zuviel, ich lebe immer noch in der Vergangenheit, vor allem in den schönen Erinnerungen. Warum sollte ich in der Vergangenheit leben? Da bin ich alleine, denn das ist meine Vergangenheit. Lebe ich in der Gegenwart, ist das zumeist mit vielen anderen verbunden. Freunde sind für mich das wichtigste was es gibt, weil ich da immer happy bin. Eben weil es dann nicht die Vergangenheit ist. Wenn ich alleine bin, geht’s mir meist schlecht. Denke ich an die Vergangenheit bin ich allein, bin ich in der Gegenwart, sind andere dabei. Ergo Vergangenheit = schlecht, Gegenwart = gut. Was in der Zukunft passiert weiß ich nicht. Ich kann nur auf sie schließen, wenn ich an die Vergangenheit denke. Ich kann die Zukunft zwar verändern, will es aber nicht. Ich möchte nicht schuld sein, wenn das Leben eines anderen verändert wird. Mein eigenes kann ich verändern und muß es auch tun, aber ich will dies nicht „aufgrund der Erfahrung“ sondern „weil ich es jetzt will“

Konrad:
Du kannst aber die Vergangenheit nicht vergessen, niemals wirst du das können. Und das Schlechteste ist, wenn du dennoch krampfhaft versuchst nicht an sie zu denken, denn dann beschleicht sie dich nur in stillen Stunden, zu Zeiten, die dir am wenigsten passen, wenn du am verletzlichsten bist. Deine Vergangenheit gehört doch zu dir. Sie ist ein Teil von dir. Ohne deine Vergangenheit wärst du nicht der, der du jetzt bist. Und das wäre doch Schade! Du musst lernen sie zu akzeptieren, sie nicht als Ballast zu empfinden, sondern als das was sie ist, deine Geschichte, deine Vergangenheit eben.

Raul:
Ich will aber sicherlich nicht anfangen, mich „als meine Vergangenheit“ zu identifizieren. Ich war ganz früher anders. Dann habe ich mich verändert. Und dann habe ich mich nochmal verändert. Und dann noch einmal. Und jetzt ist jetzt. Ich will mich einfach immer anpassen können, sehr schnell und richtig. Und ich bin sicherlich nicht stolz so zu sein, wie ich jetzt bin…

Konrad:
Du musst ja auch nicht stolz sein, aber beklagen sollst du es auch nicht! Du sollst dich ja auch nicht steif an die Vergangenheit klammern, das meine ich überhaupt nicht. Klar musst du dich immer wieder verändern, jeder muss das, aber dennoch solltest du auch wissen wo du herkommst.
Ein toller Spruch, den ich mal gehört habe ist:
„Beurteile einen Menschen nicht danach, was er ist, sondern nach dem Weg, den er zurückgelegt hat, um das zu sein, was er ist.“ Dieser Spruch wird dir sicher nicht gefallen, denn er ist natürlich vergangenheitsbezogen. Aber ich denke, er ist ziemlich wahr.

Raul:
Aber es heißt auch „Du bist was Du ißt“ und nicht „Du bist was Du gegessen hast“…

Konrad:
Super, toll. Ich sage auch, ich denke, darum bin ich und nicht ich dachte, darum war ich. Toll, was hat das eine mit dem anderen zu tun? Nichts würde ich mal meinen…

Raul:
Aber sicher, selbst die Toten Hosen sangen : „Von gestern und für morgen leben niemals für das Hier und Jetzt.“ Und das will doch was heißen 😉

Also ernsthaft, ich denke echt, man sollte die Vergangenheit überwinden können. So Memento wäre sicherlich krass. Das andere Extrem ist dieser eine Kerl der sich an wirklich alles erinnern kann. Der Kerl muß ziemliche Psycho-Probleme haben…

Konrad:
Glaube ich nicht. Das sagst du aus deiner Sicht. Weil du Probleme mit deiner Vergangenheit hast. Aber das heißt doch nicht, dass es anderen genauso gehen muss. Man kann auch in der Gegenwart leben ohne die Vergangenheit zu verleugnen, so wie es die Hosen singen. Nur weil man sich an alles erinnern kann, heißt das nicht, dass man psychische Probleme bekommen muss. Wie gesagt, man kann seine Vergangenheit auch nicht als Ballast empfinden. Aber vielleicht lernst du das ja noch, hast ja noch ein bisschen Zeit. So das war jetzt mein großväterlicher Spruch *ggg*

Raul:
Findest du deine Vergangenheit etwa so geil, daß du sie immer in Erinnerung behalten willst?

Konrad:
Ja. Ich möchte mich an alles erinnern können. Natürlich gibt es immer wieder furchtbare Momente, aber auch an die möchte ich mich erinnern können. Denn sie gehören ebenso zu mir wie die guten und schönen.

Raul:
… tja… Du hast ja recht… es gehört zu Dir. Aber wünscht Du Dir nicht manchmal, daß dem nicht so wäre 🙁

Konrad:
Kurzfristig gesehen schon. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich nie Sachen in der Vergangenheit gerne anders gemacht hätte, aber wenn man langfristig darüber nachdenkt, ist schon alles gut so wie es ist. Außerdem müsstest du das doch gerade verstehen. Schließlich denkst du doch, dass die Welt gerecht ist oder?

Raul:
Ich müsste mich ja an die Vergangenheit erinnern um zu beweisen, daß die Welt gerecht ist, da ich aber weiß, daß es so ist, brauche ich die Vergangenheit nicht mehr…
Auch wenn ich mich seit kurzem frage, ob „die Welt“ gerecht ist oder „das Leben“… ich bin mir da gerade nicht so sicher…

Konrad:
HAAHAA *nelsonlache* du zweifelst an deiner eigenen fundamentalen Basis deiner gesamten Weitsicht. Oh oh, so schlimm? Du musst ja gestern echt sehr down gewesen sein. Ich dachte solche Phasen der Melancholie – obwohl man das wohl schon fast nicht mehr Melancholie nennen kann, sondern eher Depression – sind mir vorbehalten 😉 Aber ich teile sie gerne mit dir.
Mir hilft es immer mir ein Ziel für meine nähere bis mittlere Zukunft zu stecken, das ich dann anpeile. Eine Aufgabe zu haben, sich einen Platz in der Welt schaffen, das ist für mich das beste Medikament gegen Probleme mit der Vergangenheit. Dabei scheint es zwar, als bezöge man sich wieder auf die Zukunft, indem man ja etwas ansteuert, was man erst in der Zukunft erreichen wird, aber dem ist nur zum Teil so. Denn Heilung bringt nämlich in Wirklichkeit eigentlich der Weg dorthin und den beschreitet man ja stets in der Gegenwart. Aber vielleicht funktioniert das für dich überhaupt nicht, das musst du wohl selbst herausfinden. Jeder muss ja mit seinem Leben für sich klarkommen, wie er/sie das tut, bleibt ihm/ihr überlassen.

Raul:
Depressionen dir vorbehalten? Das glaubst du doch selbst nicht. So egoistisch hätte ich dich nicht eingeschätzt. aber ich kann dich ja auch nicht einschätzen, da ich dich jeden Tag neu kennenlerne, ich bin ja kein Kind der Vergangenheit… So lange du dir Ziele in der näheren und/oder mittleren Zukunft steckst, wirst du es nie schaffen, zufrieden zu sein. Selbst wenn du meinst der Weg sei das Ziel, eine Ende muß immer mal gesetzt sein. Glaubst du nicht?

Konrad:
Ganz zufrieden will ich gar nicht sein. Wenn es je einen Moment geben sollte, in dem ich sage „Verweile doch oh Augenblick, du bist so schön“, dann hat Mephisto ja gewonnen, aber meine Seele darf er nicht haben. Du weißt doch „es irrt der Mensch, solang er strebt“ aber wichtig ist eben, dass er strebt! und Zufriedenheit untergräbt das. Wenn man restlos zufrieden ist, fehlt der Antrieb zu neuem Streben. Deshalb ist es gut, sich immer wieder neue Ziele zu stecken, auch solche, die man nicht erreichen kann, denen man sich nur nähern kann, was aber bedeutet, dass man sein ganzes Leben daraufhinarbeiten muss, denn immer könnte man sich dem Ziel ja noch ein stück weiter nähern, da man es ja nicht erreicht hat. Mit den großen zielen ist es wie mit den großen Idealen, was wären das für Ziele/Ideale, wenn man sie erreichen könnte?

Raul:
Also ich setze mir schon Ziele, aber ich versuche mir keine zu setzen, die ich nicht erreichen kann. Ich habe mit meinem Leben abgeschlossen. Von mir aus kann ich morgen sterben, es macht mir nichts. So kann ich mich völlig um meine Freunde kümmern, selbst, wenn ich dafür ins Grab gehen muß. Mein Ziel ist, daß sich meine Freunde kennen und auch ohne mich auskommen… dieses Ziel ist genauso gut erreichbar wie nicht erreichbar. Solange ich stillstehe, kennen sich viele/alle, sobald ich mich weiterbewege, bedeutet das „Arbeit“, aber es ist eine Arbeit die ich gerne tue. Ich habe keine Ziele im Sinne von Studium/Arbeit oder so was, ich bin da eher „sozial“ tätig…

Konrad:
Du hast mit deinem Leben abgeschlossen? Du weißt schon, dass diese Mail unverschlüsselt war? Wenn das einer von den Psychiatern hier liest, dann landest du gleich hier irgendwo wegen Verdacht auf Suizidalität. Also pass auf, was du schreibst *lach*

Aber mal ehrlich, so etwas kann man doch nicht ernst meinen, außerdem widerspricht es doch deinem Anliegen, deine Freunde zueinander zu führen, ihnen zu helfen, sich kennenzulernen, soziale Bande zu knüpfen. Das ist doch auch eine Aufgabe, meinst du nicht? Ins Grab musst du übrigens für niemanden anders als für dich!

Raul:
„Müssen“ tu ich gar nichts. Und für wen ich ins Grab gehen will, ist immer noch meine Entscheidung!

Es ist eine Aufgabe, die sich aber auch von selbst erledigt je weiter sie fortgeschritten ist. Außerdem ist es eine Aufgabe, welche sich immer wieder auffrischt und nicht sterben wird. Es ist eine Aufgabe, kein Ziel… habe ich vorher falsch formuliert. Tut mir leid, danke daß du mich darauf aufmerksam gemacht hast!

Konrad:
Siehst du, eine immerwährende Aufgabe. Damit bist du doch beschäftigt.
Also musst du auch nicht mit deinem Leben abschließen 😉
Außerdem stirbt sich’s glaube ich viel angenehmer, wenn man ein erfülltes Leben gehabt hat. Mit blick auf die Vergangenheit 😉

Aber wechseln wir mal das Thema, bitte. Wird mir zu düster irgendwie gerade.

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